2. Schritt: Gefühle
Es besteht auch in diesem Modell kein Zwang, über unsere Gefühle zu sprechen. Wenn wir es aber tun, dann macht es zumindest unter Anwendung dieses Modells Sinn, über unsere tatsächlichen Gefühle zu sprechen. Häufig werden, wenn wir denn Gefühle ausdrücken, "Pseudo-Gefühle" in unsere Aussagen hineingemischt. Dafür verwenden wir, i.d.R. unbewußt und ohne böse Absicht, verschiedene sprachliche Ausdrucksformen wie z.B. "Ich fühle mich nicht gesehen und nicht gehört." - "Ich fühle mich manipuliert." - Dabei handelt es sich hier gar nicht um Gefühle, sondern um den Ausdruck dessen, was wir denken: "Jemand...sieht mich nicht,...manipuliert mich... ." etc. Wir setzen uns direkt ins Passiv, also in die Opferposition: Auch die Worte "Ich fühle mich" ändern nichts daran, dass wir gerade in der Passiv-Form einen Täter definiert haben (...der manipuliert etc. ...) - und ein Opfer: uns selbst nämlich. Über unsere Gefühle haben wir in diesem Falle noch nicht einmal was gesagt.
Mit dieser kleinen Erläuterung am Beispiel geht es keineswegs darum, eine gute oder schlechte Kommunikation darzustellen, sondern lediglich die Fakten und Phänomene einer solchen Ausdrucksweise heraus zu heben. Was daraus oft resultiert, sind wiederum Bewertungen und Reaktionen des anderen. Oft merken wir, dass der andere entweder "dicht macht" oder "zurückschießt", also in Bruchteilen von Sekunden eine z.B. emotional abwehrende Reaktion zeigt. Doch durch unsere Sprachsozialisation und -Codici, die wir als ganz normal und selbstverständlich empfinden, können wir selten präzise sagen, was genau bzgl. unserer Botschaft den anderen veranlasst hat, in dieser Situation "auszusteigen". Wir haben den inneren Beobachter oder Zeugen, der uns selbst beim Sprechen zuhört, noch nicht geschult. Vieles unseres Denkens und Sprechens läuft "automatisiert" - im proceduralen Teil unseres Gehirns. Das gilt i.d.R. insbesondere für den Konfliktfall, wo wir unter Stress stehen.- Für den Konfliktfall erschwerend hinzu kommt, dass sowohl in unserer Sprache als auch in unserer inneren Haltung zumeist die Überzeugung lebt, der andere sei für unsere Gefühle, sowohl angenehm als auch unangenehm bewertete, verantwortlich. Das ist zwar ein Konzept, das beobachtbar häufig Anwendung findet, faktisch jedoch ein kollektiv konditionierter Irrtum. Auch dieses Phänomen ist etwas, das Zuwendung und klares Hinschauen braucht, wenn wir Eigenverantwortung "von innen" her kennenlernen wollen.
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3. Schritt: Unsere Bedürfnisse
Wenn wir ein wenig tiefer in eine neue Haltung hineingefunden haben, fragen wir nicht mehr: "Wer ist schuld und wer hat recht?" sondern "Wie geht´s dir, wie geht´s mir und was bringt uns weiter?" Bedürfnisse sind allen Menschen gemeinsam. Unabhängig von ihrer Nation, kultureller, religiöser oder sozialer Herkunft, Bildung oder Alter und Geschlecht. Damit sind solche Grundbedürfnisse wie die nach Nahrung (Überleben), Gemeinschaft, Zugehörigkeit, Nähe, Freude, Frieden, Sicherheit, Autonomie, Achtung, Wertschätzung, Sinn, Selbstwirksamkeit, Weiterentwicklung, Spiritualität u.v.m. gemeint.
"In dem Moment, wo man Menschen dazu bringen kann, darüber zu reden was sie möchten, anstatt darüber, was mit der anderen Person nicht stimmt, sieht man sofort eine Möglichkeit für den Beginn einer Lösung." M.B.Rosenberg 4. Schritt: Die Bitte
Mit der Bitte bringen wir unsere Anliegen und Bedürfnisse ins konkrete Leben, indem wir mit dem anderen gemeinsam eine Lösung finden.
Eine Lösung, die von allen getragen wird, ist erst möglich, wenn eine gute Beziehung und Verbindung zum anderen besteht. Aus diesem Grund ist die GFK in erster Linie beziehungsorientiert, nicht lösungsorientiert. Der Versuch, eine Lösung "auf der sachlichen Ebene" zu finden ohne wieder hergestellten guten Draht zueinander, ist unserer Erfahrung nach höchst ineffizient. Derart getroffene "Sachlösungen" werden erfahrungsgemäß wenig mitgetragen. Und es ist demotivierend: es bezahlen alle den Preis für einen Kompromiß, bei dem die Bedürfnisse mehrerer Beteiligter unberücksichtigt geblieben sind. Eine Lösungsfindung, in deren Prozess die Bedürfnisse aller gesehen und geachtet werden, erhöht jedoch ungemein die Effizienz im Hinblick auf einen gemeinsamen, tragenden Grund für die Umsetzung. Erst Beziehung herstellen – dann Lösung finden.
Marshall Rosenberg schlägt vor: "Eine echte Bitte läßt Wahlfreiheit."
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Und zuletzt - zur Klarstellung:
Es gibt keine "falsche Sprache" oder "richtige Sprache". Es gibt also keine neuen 10 Gebote. Es gibt verschiedene Strategien und darin Phänomene, wie wir uns ausdrücken und kommunizieren. Es ist von entscheidender Bedeutung, wach zu werden und zu lernen, diese Phänomene klar zu sehen und unterscheiden zu können.
Einen entscheidenden Unterschied macht es, wenn ich weiß, was ich tue, denn damit erst erkenne ich meine Wahlfreiheit. Wie Moshe Feldenkrais so treffend auszudrücken wußte: "Wenn ich weiß, was ich tue, kann ich tun, was ich will." Immer entscheiden wir selbst - bewußt oder unbewußt - welche Strategie, welches Verhalten oder welche sprachliche Ausdrucksform wir wählen. Mit dem bewußten Treffen einer bestimmten Intention und Wahl allerdings entscheiden wir uns, das maximal uns mögliche für ein bestimmtes Resultat zu tun. Ein Resultat ist erst einmal nur eine geschaffene Tatsache. Es liegt an uns selbst, herauszufinden, ob unsere Intention und unser Wille mit unseren eigenen Werten und Bedürfnissen übereinstimmt.
" Jenseits von falsch und richtig gibt es einen Ort - dort treffen wir uns." Rumi , Sufi und Mystiker, 13. Jahrhundert |